Peter Grandl: Von mutigen Kaltwassersprüngen und lifechanging moments
Weil er das Gefühl hatte, dass die zahlreichen Agenturen, mit denen er als European Brand Manager bei einem japanischen Elektronikkonzern regelmässig zusammenarbeitete, seine Projekt nie so richtig durchdrangen und er sich eigentlich eine andere Herangehensweise wünschte, gründete Peter Grandl mit Mitte 30 eine eigene Werbeagentur. Ganz ohne Agenturerfahrung.
Im Interview erzählt uns Peter mit wem er niemals eine Firma gründen würde, welchen Ratschlag er ignoriert hat und wie ihm auf einer Party in Cannes die Kraft der inneren Einstellung bewusst wurde. So ganz ohne Esoterik.
Peter, wie kam es zur Gründung von Proxenos, was hast Du vorher gemacht und was hat Dich zur Agenturgründung bewegt?

Ursprünglich bin ich „Filmer“. Ich habe ein paar kleinere Fernsehfilme gedreht und Mitte der 1980er Jahre sogar einen Kinofilm produziert. Der Film war ein Fiasko. Ich merkte allerdings recht schnell dass ich lieber der Geschichtenerzähler bin als der Umsetzer. Von da an habe ich mich Drehbüchern gewidmet und beruflich dem Filmrechte Lizenzeinkauf. Und irgendwie bin ich dann ins Marketing-Business gerutscht. Zunächst bei SENATOR FILM, wo ich es mit großen Kampagnen für Kinofilme zu tun hatte. Als mir das Gehalt gekürzt werden sollte, weil ich vor hatte zu heiraten, kündigte ich und wechselte als Marketing- bzw. Brand Manager zu einem japanischen Elektronikkonzern. Die Gehaltskürzung aufgrund der Heirat ist übrigens eine von vielen Anekdoten aus der Filmbranche über die es sich lohnen würde ein Buch zu schreiben…
Als European Brand Manager habe ich viel mit Agenturen zusammen gearbeitet und hatte immer wieder das Gefühl, dass wir nicht so „bedient“ werden wie ich es mir gewünscht hätte. Also dachte ich mir – warum sollte ich es nicht selbst probieren und anders machen. Ich hatte absolut keinen Agenturhintergrund und wusste kaum etwas über Strukturen und Abläufe in einer Agentur. Das war aber im Rückblick ein großer Vorteil, denn da du beginnst dich komplett neu zu erfinden.
Im Jahr 2000, da war ich 37 Jahre alt, war es dann so weit: Ich wagte den Sprung in die Selbständigkeit und gründete Proxenos – eine Werbeagentur.
Hast Du die Agenturgründung ganz allein durchgezogen oder gab es Partner bzw. Mentoren die Dich unterstützt haben?
Mein ehemaliger Chef, Günther Sonderwald, begleitet mich seit unserem Start vor nunmehr 18 Jahren intensiv. Am Anfang war er „nur“ mein Berater und Proxenos war für ihn eines von vielen Projekten in denen er beratend involviert war. Heute konzentriert er sich zum Großteil auf Proxenos und wir teilen uns die Geschäftsführung 50:50. Günther ist ein wichtiger Wegbegleiter für mich. Wir ergänzen uns optimal: Ich bin nicht so risikobereit, also – am liebsten gar nicht. Ich bin mehr der Kreative, ich mag das Socializing und den Vertrieb. Ich hab es nicht so mit Zahlen. Günther ist ein Zahlenmensch. Er ist risikofreudig. Wenn wir neue Leute einstellen, ein Stockwerk dazu mieten, neue IT benötigen oder einen Kredit aufnehmen – Günther hat die Zahlen im Blick und ermutigt mich immer wieder diesbezüglich ins kalte Wasser zu springen. Mit Erfolg.
Wovor hattest Du Angst bei der Gründung? Welche Hürden musstest Du überwinden?
Zu Beginn hatte ich Angst vor jedem neuen Monatsabschluss. Ich bin absolut nicht zum Unternehmer geboren. Stand da ein Minus im Abschluss, egal wie klein, habe ich mich schon unter der nächsten Brücke liegen sehen. Und die größte Hürde waren die ersten Festanstellungen. Was für eine Verantwortung, was für ein Kostenfaktor!!! Wer soll all die Kosten wieder reinholen – mit welchen Kunden?
Zu dieser Zeit stellte mir mal ein anderer Unternehmer die Frage: „Kennst du den Unterschied zwischen einem Selbständigen und einem Unternehmer?“ Ich schüttelte den Kopf. Seine Antwort „Der Selbständige verdient kein Geld wenn er in den Urlaub fährt“.
Für mich war das der Startschuss ins volle Risiko zu gehen und mir ein Team aufzubauen. Statt Gewinnentnahme, Gehälter bezahlen.
Was hat Dir in der Anfangsphase am meisten geholfen um das Geschäft zum Laufen zu bringen?

Das Wichtigste war Eigeninitiative. Ich schloss mich einem Business-Verein Namens BNI an. Einmal pro Woche trifft man sich da um 6 Uhr zum Frühstücken. Das Ganze läuft streng reglementiert ab und am Ende geht es um Business-Empfehlungen die du anderen machst und Empfehlungen die du bekommst. Alle Empfehlungen werden festgehalten und ausgewertet. Wie ich auch, waren die anderen Teilnehmer in diesen Runden sehr kleine Unternehmer aus verschiedenen Branchen, darunter auch viele Handwerker, aber am Ende brachte es zumindest so viele Empfehlungen, dass ich eine solide Basis an Kunden hatte. Ein echtes Wachstum hätte man damit aber als Agentur nicht generieren können. Parallel dazu entwickelte ich meine eigenes Netzwerk unter dem Namen BUSINESS MEET & GREET DINNER. Das gibt es heute noch und ist eine hochkarätige Plattform für Marketingmanager – von denen einige seit 10 Jahren regelmäßig teilnehmen.
Heute seid ihr mit Proxenos sehr gut im Geschäft und ein namhafter Kunde, dessen Namen man sich schmecken lassen kann, setzt seit Jahrzehnten auf euch. Das ist im Agenturumfeld ja eher selten. Gab es einen Durchbruch-Moment oder stellte der Erfolg sich schleichend ein?
Es gab tatsächlich ein Ereignis das ich als „den Durchbruch“ bezeichnen würde: Es begann mit der Gründung einer Werbefilmproduktion. Wir produzierten mit einfachsten Mitteln einen 45 minütigen (low-low-budget) Thriller TWO FACES, mit Iris Berben in einer Gastrolle, den wir im ARRI-KINO in München aufführten. Dazu luden wir viele potentielle Kunden ein. Tja – und einer der Besucher verschaffte uns einen Megakunden der uns bis heute treu ist!
Wow, das klingt wirklich mega gut :-). Wie seid ihr denn an Iris Berben herangekommen, bestimmt über persönliche Kontakte, oder?
Nein, tatsächlich haben wir sie einfach gefragt! Sie war damals ab und an im Café Wiener Platz in München-Haidhausen. Das Café hat sie dort vor rund drei Jahrzehnten eröffnet. Wir haben dort einfach gefragt wann man sie persönlich antreffen kann. Freitagnachmittag war die Antwort. Also sind wir hin – und haben sie einfach gefragt. Bis zum finalen „Ja, ich bin dabei“ hat es noch eine Weile gedauert. Aber sie fand die Idee gleich gut und der Mut, einfach auf sie zu zu gehen hat sich rentiert. So konnten wir übrigens auch Nena für eine Folge-Produktion gewinnen bei der es um häusliche Gewalt an Kindern ging (“Das letzte Wort”): Wir haben sie bzw. Ihr Management einfach auf Facebook angeschrieben und die Idee gepitcht.
Toll, das ist echt mutig. Und ein guter Tipp für Andere, die einflussreiche Personen für ihre Projekte gewinnen wollen. Der Inhalt sollte wohl outstanding sein, aber dann – sei mutig und frag einfach! Sicher hast Du auch viele gute und gut gemeinte Ratschläge auf deinem Weg erhalten.
Was war der schlechteste Rat den Du in der Anfangsphase bekommen hast?
Als ich in meiner Gründungsphase war hat mich mein Umfeld für verrückt erklärt, angesichts der unendlichen Zahl an Agenturen die es auch im Jahr 2000 bereits in München gab. Jeder riet mir, mich auf eine Branche oder ein Themenfeld zu konzentrieren – sonst würde das sowieso in die Hose gehen. Um aber die Gehälter bezahlen zu können, lief ich erst einmal mit einem großen Bauchladen herum und bot an, was immer gebraucht wurde. Das war also anfänglich keine ausgefuchste, spezialisierte Strategie, sondern eher so eine Art Überlebenskampf der nur Wachstum zum Ziel hatte.
Und – hast Du Dich spezialisiert?
Inzwischen ja, auf Markenführung und Markenstrategie, die aber auf verschiedene Gewerke im haus zugreifen kann. Wir sind heute erfolgreich, weil wir dem Kunden nicht nur die Strategie für seine Marke aufsetzen können, sondern auch einen Großteil der Umsetzung: klassisches und digitales Marketing, Content-Marketing und Film.
Gut, dass Du nicht auf dein Umfeld gehört hast, sondern auf dein Bauchgefühl. Was war denn der beste Rat den Du je bekommen hast?
Das hört sich jetzt bescheuert an, aber „Lebe den Augenblick“.

Wir hatten gerade unser 10jähriges Bestehen und ich war bei einer der großen Standpartys in Cannes, im Umfeld der Cannes Lions. Die Agentur hatte einen ziemlichen Durchhänger – und für mich sah es ganz danach aus, als würden wir das Jahr nicht überstehen. Es war Mitternacht und irgendwo in den Wellen war eine badende, junge Frau. Sie blicke mich aus 50 Metern direkt an – und da waren wirklich jede Menge Partygäste um mich herum – sie winkte mir und deutete an ich solle doch einfach zu ihr kommen. Ich war total perplex, aber irgendwann siegte die Neugier.
Ich zog mich aus, vergass die irritierten Partygäste um mich herum – und schwamm zu ihr hinaus. Sie nahm mich in den Arm und meinte, ich hätte so traurig ausgesehen. Ich erklärte ihr in knappen Worten was mich bedrückte – sie sagte eben jene Worte und wir blickten auf die Party am Strand die nun so weit weg war.
Alles verlor in diesem Augenblick an Bedeutung. Irgendwann schwammen wir zurück und ich hatte das Gefühl neugeboren zu sein. Das klingt sehr esoterisch – und ich neige echt nicht zur Esoterik, aber der Moment gab mir enorm viel Kraft und von da ab wandte sich das Blatt radikal.
Ganz nebenbei: Den Moment habe ich in einem Musikstück festgehalten, dass ich kurz darauf produzierte. Auf SoundCloud könnt ihr mal ‘reinhören.
Wahnsinn, das klingt ja echt filmreif!
Hast Du Tipps für Leute die gerade eine Gründungsidee mit sich herumtragen bzw. für Unternehmer, die gerade mitten im Gründungswahnsinn stecken?
Wie sieht es z.B. mit einem Gründungsteam aus – lieber zusammen oder doch besser alleine gründen?
Ich kann hier nur für mich sprechen: Für mich war es sehr wichtig immer einen guten Geschäftspartner zu haben. Zwei gegensätzliche Charaktere die sich treffen: Einer der bremst, einer der treibt.
Und als Unternehmer kannst Du eine ganze Weile lang nicht besonders gut auf dein privates Lebensglück schauen. Das wird die ersten Jahre ganz stark zurück stecken müssen. Wer da Gemütlichkeit vor Augen hat, der wird schnell in die Falle laufen. Ich würde mich auch nicht mit meiner Ehefrau gemeinsam selbständig machen. Man bringt automatisch die wirtschaftlichen Probleme und Existenzängste mit nach Hause. Es ist wichtig dass man zu Hause einen Themenwechsel hat damit man mal abschalten kann. Wenn jeder etwas eigenes hat, kommt man mit all seinen „Päckchen und Paketen“ heim und dann erzählt der Partner oder die Partnerin von einem positiven Erlebnis und du kannst deine eigenen Sorgen hinter dir lassen. Zumindest für einen Moment lang.
Ja, das ist gut nachvollziehbar. Welches sind denn deine drei Key-Learning aus der Gründerphase?
- Die Wichtigkeit von Netzwerken
- Eigeninitiative
- So schnell wie möglich ein echtes Team aufbauen. Und zwar keinen Verbund aus Menschen die in der selben Situation stecken, sondern als echt bezahlte Mitarbeiter. Drei freie Mitarbeiter ergeben noch lange keine Agentur.
Worauf bist Du besonders stolz?

Zum einen auf unser Cafe Karl in der Agentur mit eigener Köchin, zum anderen darauf, dass viele unserer Mitarbeiter in der Zwischenzeit ihr zehnjähriges Jubiläum bei uns hatten und uns treu geblieben sind. Außerdem nehme ich gerne Quereinsteiger auf.
Wer es bei uns nicht schafft, schafft es nirgendwo – und das sagen zu können, finde ich Klasse.
Woran arbeitest Du gerade?
An meinem ersten Roman. Bevor ich lange erkläre um was es geht … einfach reinschnuppern, kostet nichts ;-):
Was beschäftigt Dich gerade?
Aufhören mit 60, in die Berge ziehen und mich nur noch dem Schreiben und Musizieren widmen. Und da ich glücklich verheiratet bin mit einer aktiven Bergsteigerin, werde ich wohl nicht drumherum kommen dazwischen irgendwelche Gipfel zu erklimmen.
Vielen Dank für das Interview, Peter!
Hier findet ihr Peter Grandl und Proxenos:
Interview: Sarah Lay
Fotos: Amazona.de, Pexels